Wenn man Wasser unter Null Grad Celsius abkühlt, erstarrt es zu Eis. Dabei ändert es schlagartig seine Eigenschaften. Als Eis hat es zum Beispiel eine deutlich geringere Dichte als in flüssigem Zustand - das ist der Grund dafür, warum Eisberge schwimmen. In der Physik spricht man von einem Phasenübergang.
Es gibt aber auch Phasenübergänge, bei denen sich charakteristische Merkmale eines Stoffs graduell ändern. Wenn man etwa einen Magneten aus Eisen auf 760 Grad Celsius erhitzt, verliert er seine Anziehungskraft auf andere Metallstücke - er ist dann nicht länger ferromagnetisch, sondern paramagnetisch. Das geschieht aber nicht abrupt, sondern kontinuierlich: Die Eisen-Atome verhalten sich wie winzige Magnete. Bei niedrigen Temperaturen stehen sie parallel zueinander. Beim Erhitzen schwanken sie mehr und mehr um diese Ruhelage, bis sie völlig zufällig ausgerichtet sind und das Material seinen Magnetismus komplett einbüßt. Während es erhitzt wird, kann es also sowohl etwas ferromagnetisch als auch ein wenig paramagnetisch sein.
Materie-Teilchen können nicht zerstört werden
Der Phasenübergang erfolgt also gewissermaßen nach und nach, bis schließlich das gesamte Eisen paramagnetisch ist. Auf diesem Weg verlangsamt sich der Übergang immer stärker. Dieses Verhalten ist für alle kontinuierlichen Phasenübergänge charakteristisch. „Wir nennen es ‚critical slowing down‘, also ‚kritische Abbremsung‘, erklärt Prof. Dr. Hans Kroha vom Bethe-Zentrum für theoretische Physik der Universität Bonn. „Grund dafür ist, dass bei kontinuierlichen Übergängen die beiden Phasen energetisch immer näher aneinander rücken.“ Es ist ähnlich wie bei einer Kugel, die man auf eine Rampe setzt: Sie rollt dann bergab, aber umso langsamer, je geringer der Höhenunterschied ist. Beim Erhitzen von Eisen nimmt der Energieunterschied zwischen den Phasen unter anderem deshalb immer mehr ab, weil die Magnetisierung beim Übergang kontinuierlich verschwindet.
Ein solches „slowing down“ ist typisch für Phasenübergänge, die auf der Anregung von Bosonen beruhen. Bosonen sind Teilchen, die Wechselwirkungen (auf denen beispielsweise der Magnetismus beruht) „erzeugen“. Materie ist dagegen nicht aus Bosonen, sondern aus Fermionen aufgebaut. So zählen etwa Elektronen zu den Fermionen.
Phasenübergänge beruhen darauf, dass Teilchen (oder auch die von ihnen ausgelösten Phänomene) verschwinden. So wird der Magnetismus in Eisen immer kleiner, je weniger Atome parallel zueinander ausgerichtet sind. „Fermionen können jedoch aufgrund fundamentaler Gesetze nicht zerstört werden und daher auch nicht verschwinden“, erklärt Kroha. „Deshalb sind sie im Normalfall nie an Phasenübergängen beteiligt.“
Elektronen verwandeln sich in Quasi-Teilchen
Elektronen können an Atome gebunden vorliegen; sie haben dann einen festen Platz, den sie nicht verlassen können. Manche Elektronen in Metallen sind dagegen frei beweglich - daher können diese Metalle auch Strom leiten. In bestimmten exotischen Quantenmaterialien können beide Sorten von Elektronen einen Überlagerungszustand bilden. Dabei entstehen so genannte Quasi-Teilchen. Sie sind gewissermaßen zur selben Zeit unbeweglich und beweglich. Diese Quasiteilchen können - anders als „normale“ Elektronen - bei einem Phasenübergang zerstört werden. Damit lassen sich auch dort die Eigenschaften eines kontinuierlichen Phasenübergangs beobachten, also etwa das critical slowing down.
Bislang ließ sich dieser Effekt experimentell nur indirekt beobachten. Die Forschenden um den theoretischen Physiker Hans Kroha und die experimentelle Gruppe von Manfred Fiebig an der ETH Zürich haben nun eine neue Methode entwickelt. Damit lässt sich der Zusammenbruch der Quasiteilchen an einem Phasenübergang direkt nachweisen, insbesondere das damit verbundene critical slowing down.
„Wir haben dadurch erstmals zeigen können, dass es auch bei Fermionen zu einer solchen Verlangsamung kommen kann“, sagt Kroha, der auch Mitglied im Transdisziplinären Forschungsbereich „Materie“ der Universität Bonn und im Exzellenzcluster „Materie und Licht für Quanteninformation“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft ist. Das Ergebnis trägt zu einem besseren Verständnis von Phasenübergängen in der Quantenwelt bei. Langfristig könnten sich die Erkenntnisse auch für Anwendungen in der Quanteninformationstechnologie nutzen lassen.